Author-card of document number 31620

Num
31620
Date
Jeudi 24 November 1966
Ymd
Size
326658
Title
Brief an Herrn Bundesrat Dr Willy Spuehler
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Public records
Type
Lettre
Language
DE
Citation
eK dodis.ch/31359

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EMBASSY OF swirZERLARD/A ST 1 |

IN KENYA: ED ; A m _ 1n66 P.O. Box 20008 {(CARGEN HOUSE)

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Ball, den 24.November 1966 A

Li HM Tel. 2350

| Ref, / u wande. 0.
Bot VE. A 42.50, Ruanda (Burundi)
deren Bundesrat Dr. Wil y SPUEHLER
VERTRAULICH Vorsteher des Eidg, Politischen Departementes
VA B OS Vo (Ruanda) BERN

(A. BB ST7.30. KWaNda
Herr Bundesrat,

Wegen der neuesten Angriffe von rwandesischen
Flüchtlingen aus Burundi auf Rwanda habe ich mich am 21.November
im Binvernehmen mit dem Delegierten für technische Zusammenarbeit
und mit der Verwaltungsabteilung hierher begeben, Ich hatte
am folgenden Tag längere Unterredungen mit dem Präsidenten der
Republik, Gregoire Kayibanda, und mit dem Minister für Interna-
tionale Zusammenarbeit und Planung, Thaddee Bagaragaza, und habe
seither verschiedene andere führende Persönlichkeiten gesehen,
so die Botschafter von Belgien, der Vereinigten Staaten, Frank-
reichs, Deutschlands und der USSR, den Vertreter des Vatikans
und Erzbischof Perraudin, weitere Minister und Diplomaten,
sowie die Experten der schweizerischen Technischen Zusammenarbeit,
Ueber die allgemeine Lage und die politischen Hintergründe
orientiert mein politischer Bericht Nr. 17, den ich nach meiner
Rückkehr abschliessen werde, Im Folgenden berichte ich Ihnen
über meine Gespräche mit Präsident Kayibanda und Aussenminister
Bagaragaza, den beiden wichtigsten Vertretern des Landes, sowie
mit unserem Landsmann Erzbischof Perraudin,

Der Präsident und sein Aussenminister haben mir
gesagt, dass die jetzige Angriffshandlung ernster zu beurteilen
sei als diejenige vor drei Jahren, Die Kämpfer seien besser
bewaffnet, entschlossener und mutiger, auch an Zahl bedeutender,
und ihre Kampfweise entspreche moderner Guerillataktik. Der

Einfluss fremder Instruktoren sei unverkennbar. Der Ursprung

a

erbeuteter Waffen und zuverlässige Informationen seitens der
Bevölkerung und der Luftaufklärung wiesen auf China ev. Cuba hin.

SE
EAN
dodis.ch/31359

Die Angreifer seien mit Lastwagen aus Flüchtlingslagern und aus
Bujumbura an die Grenze geschafft worden und würden weiterhin
aus Burundi versorgt, wo auch ihre Verwundeten gepflegt würden,
Es sei ihnen gelungen, sich in unwegsamen Gelände des südlichen
Urwalds festzusetzen, von wo sie versuchten, nach Norden zu
infiltrieren. Die Armee sei Herr der Lage, und die Bevölkerung
verhalte sich ablehnend, Zin Durchbruch nach den Städten Butare,
Gitarama oder sogar Kigali sei nicht zu befürchten, Voraussetzung
sei allerdings, dass die Einbusse an Material und Munition aus-
geglichen werden könne,. Hiefür sei Hilfe von aussen nötig. Die
Verluste an Menschenleben seien bisher gering.

Bedenklich sei das Verhalten der Regierung von
Burundi, die den Angräfern offensichtlich Unterstützung leihe,.
Die Lage in diesem Land sei verworren, Dem jungen König fehle
es an Erfrhrung und an Kraft, und Premierminister Micombero
scheine auf die Errichtung einer totalitären Republik chinesi-
scher Prägung hinzuarbeiten, Präsident Kayibanda glaubt nicht,
dass Präsident Nyerere eine solche Aktion unterstützen würde.
Sein bisheriges Verhalten zeige echte Sympathie für Rwanda und
lebhaftes Interesse für eine Intensivierung der beidseitigen
Beziehungen. Aber er scheine auch keine Massnahmen gegen die
chinesische Infiltration nach Burundi zu ergreifen, was ange-
sichts der chinesischen Position in Zansibar und Dar es Salaam
schwierig wäre, So könnte China in Burundi auch ohne direkte
Unterstützung von Tanzania politisch und militärisch Fuss fassen.
Damit entstände für ganz Zentralafrika und insbesondere den
östlichen Kongo eine gefährliche Lage.

Ich fragte Präsident Kayibanda, ob er nicht erwäge,
an den Sicherheitsrat zu gelangen, Er sagte, die Regierung
habe den Generalsekretär der UN orientiert, doch möchte er
noch mehr" Fakten haben, um dann mit der sicheren Erwartung eines
günstigen Entscheides diesen Schritt zu tun. Im Moment sei
die Lage auch nicht alarmierend,

Ich sagte Präsident Kayibanda, dass die schweize-
rische Regierung wegen unserer Aktion in Rwanda an einer stabilen
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Entwicklung sehr interessiert sei. Wirren wie die jetzigen
könnten den weiteren Einsatz gefährden. Kayibanda antwortete,
dies sei ihm wohl bewusst, Aber die Länder, die sich zu Hilfe-
leistungen entschlossen hätten, sollten nicht zu ängstlich sein.
Das Flüchtlingsproblem als Folge einer sozialen Revolution müsse
erdauert und erlitten werden. Ein Rückzug oder auch nur eine
Verminderung der Hilfe von aussen würde die bisherigen Erfolge
in Frage stellen. Kayibanda bat mich, darauf hinzuwirken, dass
die schweizerische Aktion weitergehe und die in Aussicht genom-
men Projekte, vor allem auch das Zollprojekt, nicht zurückge-
stellt würden.

In diesem Sinne hat auch Erzbischof Perraudin ge-
sprochen., Er meint, das Land, das in seinem Kampf um eine de-
mokratische Entwicklung von der Schweiz wertvolle Hilfe erhalten
habe, sollte gerade in seinen schwierigen Momenten auch weiter-
hin darauf zählen können, Allerdings sei die Zukunft ungewiss,
doch müsse man in jedem jungen Staat mit Ueberraschungen rechnen,
Die Regierung tue, was sie könne und verdiene Vertrauen, Die
von ihr getroffenen Sicherheitsmassnahmen seien angemessen,

Im Land herrsche Ruhe und Ordnung und Vergeltungsaktionen wie
vor drei Jahren seien nur vereinzelt festzustellen,

Ich möchte zu diesen Erklärungen folgendes sagen:
Der neueste Angriff ist ernst zu nehmen und bringt für alle,
die nach der Gipfelkonferenz von Nairobi eine allmähliche Lösung
des Flüchtlingsproblems erhofften, einen Rückschlag. Es ist
durchaus möglich, dass die Lage sich noch verschlechtert, wenn
es in Burundi zu einer krisenhaften Entwicklung kommt, die China
zum Zuge bringt und die Flüchtlinge als Werkzeuge der Subversion
und Aggression eingesetzt werden, Doch besteht m.E. auch dann
kein Grund, die einmal in Angriff genommene Aufgabe fallen zu
lassen, Wenn Entwicklungshilfe mehr als blosse Almosentätigkeit
sein soll, kommt man nicht darum herum, zu Prinzipien, die einem
wert sind, zu stehen und hierbei auch Risiken auf sich zu nehmen,
Das Risiko besteht darin, dass im Falle eines Zusammenbruchs
des heutigen Regimes die in Ausführung befindlichen Projekte
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nicht weitergeführt werden können und dabei die bisherigen
Investitionen verloren gehen, Doch wäre es auch denkbar, dass
eine neue Regierung, die ja vor den gleichen Entwicklungspro-
blemen wie die gegenwärtige steht, auf eine Weiterführung der
Aktionen Wert legt. Ferner muss bei einer Wendung zum Schlimmen
mit der Gefährdung von Menschenleben gerechnet werden. Ich habe
mit dem hiesigen Vertreter des Delegierten für Technische Zusam-
menarbeit, Herrn Othmar Hafner, und mit dem schweiz. Berater
des Präsidenten, Herrn Marcel Heimo, die im Falle eines Not-
standes zu ergreifenden Massnahmen besprochen und an alle Schwei-
zer in Rwanda ein Schreiben mit Direktiven versandt, Eine Kopie
davon geht an die Abteilung für politische Angelegenheiten,

Die beiden Herren teilen im übrigen meine Auffassung, dass wir
in Rwanda bei der Stange bleiben sollten.

Präsident Kayibanda hat auch über die in Aussicht
genommene Ablösung von Herrn Rebord, dem verdienstvollen Direk-
tor der Coopgrative "Trafipro", gesprochen. Er unterstützt die
schriftlich zum Ausdruck gebrachte Meiniüng des Verwaltungsrates,
dass in der jetzigen Lage kein Führungswechsel eintreten sollte,
Er denkt hierbei nicht nur an die politischen Eventualitäten,
die an der Spitze einen Mann erfordern, der den Betrieb aufs
Beste kennt, rasch und sicher disponieren kann und das Vertrauen
seiner Untergebenen und Genossenschafter besitzt, sondern auch
an die Umstellungen und Anpassungen, die sich im Gefolge der
Währungsreform als nötig erweisen und noch eine gewisse Zeit
erfordern. Ich kann dieses Begehren nur unterstützen und berichte
hierüber gesondert an den Delegierten.

Ich werde morgen wieder nach Nairobi zurückfliegen,
stehe aber jederzeit bereit, wieder herzukommen, wenn sich dies
als nötig erweist, Sollte die Telefonverbindung unterbrochen
werden, so werde ich das Verbindungssystem der amerikanischen
Botschaften in Nairobi und Kigali benutzen können, Unsere hie-
sigen Vertreter sind entsprechend instruiert.

Ich versichere Sie, Herr Bundesrat, meiner ausge
zeichneten Hochachtung. —
DER SCHWEIZERISCHE BOTSCHAFTER:

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